| frühe Geschichte der Gitarre, Laute und Geige |
Rainer Nowotny |
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Die bislang ältesten Hinweise auf eine Laute überhaupt, die den Archäologen
sogleich als älteste Nachweise dienen, stammen aus dem Zweistromland (Mesopotamien)
der (semitischen) Akkadherrschaft (2350-2170 v.u.Z.). Soweit die Reliefdarstellungen
erkennen lassen, handelt es sich um 2-saitige Langhalslauten mit sehr kleinen
Resonatoren (siehe Quellenverzeichnis). Vielmehr kann man den Darstellungen nicht
entnehmen. Vor diesen ersten Lautenhinweisen gab es in sumerischer Zeit bereits
Harfen und Leiern. Das Musizieren auf Saiteninstrumenten scheint demnach bereits
einigen Vorlauf gehabt zu haben. |
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Die Lauten als Instrumentenfamilie könnten ihren Ursprung, wie oben erwähnt,
in Mesopotamien gehabt haben. Etwa aus der Zeit der ersten babylonischen Dynastie
(1894-1595 v.u.Z.) fanden sich dann des öfteren Darstellungen, auf denen
meist nackte Männer häufig beim Marschieren Langhalslauten mit kleinen
runden Resonatoren spielen. Der Aufbau war einfach, ein langer Hals - ein Stab
- und ein kleiner rundlicher Resonator. Zwei Darmsaiten wurden oben und unten
angeknüpft, der Hals diente gleichzeitig als Griffbrett.
In Ägypten tauchte die Laute seit spätestens der XVIII. Dynastie (1551-1305
v.u.Z.) auf. Noch aus dem Mittleren Reich Ägyptens fehlten jegliche Anhaltspunkte.
Das Neue Reich hingegen hinterließ nicht nur zahlenmäßig viele,
sondern auch inhaltlich aufschlussreiche Hinweise der Nachwelt.Zur Konstruktion
dieser Lauten. Ein kleiner hohler Resonator war mit einem Tierfell bezogen, durch
welches ein Stab (Hals) durchgespießt wurde. Am Hals, der unten über
den Schallkörper ragte, wurden die meist 2 selten 3 Saiten angeknüpft,
oben um das Halsende gewunden und festgezurrt, so dass die Saitenenden einfach
herunterhingen. Der Steg stand auswechselbar auf dem Tierfell, der Hals diente
als Griffbrett.So erfasst der Siegeszug dieser Spießlaute Ägypten,
wo der Instrumentenneuling eine außerordentliche Popularität erlangte.
Es bildeten sich alsbald zwei ägyptische Standardformen heraus.Die erste
Standardform benutzte einen Schildkrötenpanzer als Resonator, der mit rotgefärbtem
Pergament bezogen war. Ein erhaltenes Exemplar misst eine Länge von 62 cm
(siehe Quellenverzeichnis). Frauen begleiteten sich auf der Schildkrötenlaute
zum Tanz oder spielten im Orchester mit anderen Instrumenten.Der Korpus der zweiten
Standardspießlaute Ägyptens war langgestreckt, mandelförmig und
hölzern. Der aus einem Stück geschnitzte Holzkorpus wirkt im Verhältnis
zur Gesamtlänge der Laute dennoch sehr klein. Man kann davon ausgehen, dass
diese Mandellauten samt sonders alle länger als 1m waren. Sie wurden oft
von Männern u.a. zur Gesangsbegleitung gespielt.Als Grabbeilage überdauerten
Darmsaiten von ca. 1mm Durchmesser die Zeit (siehe Quellenverzeichnis). Generell
wurden Holzplektren benutzt.Die pergamentene Decke wies in der Regel parallel
zur Saitenführung zwei Reihen von je drei kleinen Schallöchern auf.
Die am oberen Halsende herunterhängenden Saitenenden wurden gelegentlich
mit Trotteln verziert.
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In oder nach dem 6. Jahrhundert v.u.Z. etablierte sich eine neue Laute, die Pandura,
die eine neue Etappe der Instrumentenentwicklung einleitete. Die fundamentale
Neuerung an dieser Pandura ist, dass ihr Hals entweder starr am Korpus befestigt
(geleimt) war, oder direkt in ihn über ging, also Hals und Korpus aus einem
Stück gefertigt wurden. Des weiteren wurden zum Befestigen und Spannen der
Saiten Wirbel benutzt. Diese Wirbel, hölzerne runde Stifte, an einem Ende
eine daumenbreite Abplattung, saßen festdrehbar in oberhalb des Griffbretts
befindlichen Löchern.Als sekundäres Merkmal der Pandura erweist sich
die grazilere Form. Der Hals ist oft nicht länger als der Resonator.
Prototypen der Pandura sind vielfältig in ihrer Korpusform, runde, halbzylindrige
oder eckige Resonatoren mit kontinuierlichem oder abruptem Halsansatz. Die Spannung
der Saiten, die oben am Hals und unten am Korpus Halt fanden, stellte gerade für
geleimte Hals-Korpusverbindungen besondere Ansprüche. Dies scheint auch der
hauptsächliche Grund dafür zu sein, dass die Panduren im Verhältnis
zu den Spießlauten kleiner bzw. kürzer sind. Vorzüglich war die
Decke ein dünnes Holzbrettchen. Eine solches auf den Resonatorboden aufgeleimtes
Holz ermöglichte die Benutzung eines Querriegels, der seinerseits auf die
Decke geleimt wurde. In einem solchen Querriegel vereinte sich Steg und Saitenhalterung.
Jedoch nicht alle Panduren hatten solchen Querriegel. Wenn Resonanzkörper
und Hals aus einem Stück geschnitzt waren, konnte bei längeren Exemplaren
gelegentlich der Hals aus zwei Teilen zusammengefügt sein. Die Wirbel, generell
aus Holz, waren nicht nur einfache Stifte, mit denen die Saiten festgesteckt wurden,
sondern sie dienten vor allem dem Stimmen der Saiten und mussten demnach drehbar
gelagert sein. Die Saitenenden wurden um die Wirbel, die ja nur zur Hälfte
in dem verlängerten Hals staken, gewickelt. Damit war es jederzeit möglich,
die Saitenspannung zu verändern, oder zu korrigieren.Bei den für gewöhnlich
benutzten Flankenwirbeln befanden sich die Windungen stets außerhalb, also
seitlich des Halses bzw. der Wirbelhalterung, nicht innerhalb eines Kastens. Insofern
kann noch nicht von einer geschlossenen Wirbelmechanik gesprochen werden.
Einen besonderen Typ der Pandura stellen Kerblauten aus dem koptischen Ägypten
(5.-8. Jh. u.Z.) dar. Diese wahrscheinlich von christlichen Mönchen gefertigten
Instrumente besaßen kleine schlanke Resonatoren. Zum Halsansatz verjüngten
sich diese in Form einer breiten Ringkerbe. Etwa zur halben Länge wiesen
die halbzylindrigen Schallkörper beidseitig nahezu halbkreisförmige
Einkerbungen auf (siehe Quellenverzeichnis). Diese Kerben verleihen den koptischen
Panduren eine künstliche Taille.Diese koptischen Kerbpanduren gelten bislang
als die ersten Lauten, deren spontane Einschnürung, gekantete Taillierung
des Schallkörpers, ein bewusstes Anliegen der Instrumentenbauer war.|
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Die Stellung der bauchigen Kurzhalslaute in vorislamischer Zeit ist umstritten.
Einige glauben sie als Importe aus dem Fernen Osten, andere als seltene Abarten
von vorderasiatischen Panduren, die den populären Prototypen gegenüberstanden.
Die Quellen (siehe Quellenverzeichnis) scheinen für ein indisches Vorbild
der großen bauchigen Laute zu sprechen. Der kurze Hals ist eine Konsequenz
des länger gewordenen Resonators. Seit dem 6. Jahrhundert u.Z., gewann sie
im sassanidischen Iran an Bedeutung. Die wenigen Hinweise künden doch von
einer neuen Qualität des Lautenbaues. Unberücksichtigt bleibt hier,
ob diese vom indischen Musikleben importiert oder inspiriert, oder aber eine iranische
Entwicklung war.Hier etablierte sich die Ud - auch al-awd oder al-u'd. Die Ud
zeichnet ein großer, meist birnenförmiger Schallkörper, weiterhin
ein relativ kurzer Hals und ein nach hinten gezogener, gezimmerter Wirbelkasten
aus. Damit diente als Wirbelhalterung nicht mehr nur ein Stück verlängerter
Hals, sondern ein eigenständiges Teil, dessen Hauptfunktion eine vorteilhafte
Bedienung der Wirbelmechanik war, sich deutlich vom Hals absetzte. Geknickte Hälse,
wie auf den sassanidischen Silberschalen, sind in ihrer Deutung zweifellos als
Wirbelkästen interpretierbar (siehe Quellenverzeichnis). Solch Kasten wurde
extra gefertigt und dann an das Halsende angesetzt.Die Größe der bauchigen
Schallkörper erlauben es nicht, dass diese Resonatoren aus einem Stück
geschnitzt hätten sein können, sie wären zu instabil gewesen. So
waren sie mit Sicherheit aus verschiedenen Einzelteilen zusammengesetzt bzw. gezimmert.

Persien
wurde 651 u.Z. von den Arabern erobert und islamisiert. Am Anfang des 8. Jahrhundert
war nun der Islam, der im Grunde die bis dahin unterworfenen Kulturkreise des
Orients in sich aufnahm und in gewisser Hinsicht vereinheitlichte, bis an den
Atlantik und bis in die zentralasiatischen Steppen vorgedrungen. Mit ihm auch
diese bauchige Knickhalslaute mit dem breiten kurzen Hals.Somit begann der Siegeszug
der Ud im Iran des 6. Jahrhundert, und er wurde alsbald von der Ausbreitung des
Islams trotz seiner doch so widersprüchlichen Beziehung zur Musik nicht nur
begleitet, sondern auch getragen.
Die
obere Saitenbefestigung ruhte, wie bereits erwähnt in einem Wirbelkasten
(Kopf). Durch die Seitenwände dieses Kastens wurden die Wirbel gesteckt,
im Inneren die Saitenenden um die Wirbel gewickelt. Diese begünstigen einerseits
eine Vergrößerung der Saitenzahl, andererseits auch eine tiefere Stimmung
bzw. eine Erweiterung des Tonumfanges in die tieferen Oktaven.Zwei Möglichkeiten
der Kopfform traten in Erscheinung. Der schlanke trapezförmige, im großen
Winkel angeknickte Kasten (Knickhals) war sicherlich immer gezimmert. Nicht unbedingt
dagegen der geschwungene, teilweise mit geschnitzten Motiven versehene, mitunter
nur leicht nach hinten gebogene Kopf.